Garden View X

1. Oktober - 31.Oktober
 
 
 
 

Die Blütezeit und der hervorragende Duft von Heptacodium miconioides (Syn.: jasminoides) , Clematis paniculata (terniflora) / maximowicziana , Clematis rehderiana and Roses erfreuen Auge und Nase der GartenbesucherInnen.

Monika Schönbacher -Frischenschlager: DENKMAL FÜR AUSGESTORBENE PFLANZEN Installation aus Plexiglas, Ytong, Auminium,  Keramik 2009.

Die Grabplatte ist Mahn- und Denkmal. Sie erinnert an Pflanzen, die wissenschaftlich dokumentiert unsere Erde bevölkerten und mahnt den Menschen sich seiner umweltzerstörerischen Achtlosigkeit bewusst zu werden und einem blinden Gewinn- und Fortschrittsglauben entgegenzutreten. Monika Schönbacher-Frischenschlager lebt in Graz.

Hartmut Skerbisch (11. Juli 1945-3. April 2009): Skulptur, die für mich wesentlich ist, ist keine Disziplin der schönen Künste, die sich benutzen lässt, zur optisch-schöngeistigen Ablenkung von Belanglosem, sondern diese Skulptur thematisiert das Verhältnis des Menschen zu sich.

SPHÄRE 235 (ein Fünfmillionstel des Erddurchmessers), 2006, sechs Kreise aus Stahl, die im Verhältnis des goldenen Schnittes zueinander stehen, verschraubt: Eine Annäherung an die ideale Kugelform, die die dynamische Wechselbeziehung zwischen Innen und Außen, Volumen, Hülle und Transparenz sichtbar macht. Die Form der Kugel hat Skerbisch erst spät als die für ihn perfekte Form gefunden, da sie in sich geschlossen und gleichzeitig offen ist. Da kann man nichts dazu- oder wegtun. Sie ist auch am einfachsten definiert – gleicher Abstand zu einem Punkt. Und trotzdem kommt sie so in der Natur nie vor ... Greift man die regelmäßige Anordnung heraus, dann kann man die entstehenden Kreuzungspunkte im Fall von 3 Ringen (R3) auch als 6 Eckpunkte eines Oktaeders auffassen, die Kreuzungspunkte im Fall von 4 Ringen (R4) als die 12 Eckpunkte eines gekappten Oktaeders und die Kreuzungspunkte im Fall von 6 Ringen (R6) als die 30 Eckpunkte eines gekappten Isokaeders. Die Sphäre lässt BetrachterInnen die Essenz der Arbeit erahnen: eine harmonische Relation per se, zwischen eigener Körperlichkeit und Größe der Erdkugel, ein durchlässiges System, das Größenverhältnisse und Entfernungen wahrzunehmen oder die sphärische Durchdringung eines als fest angedeuteten Körpers zu entdecken zulässt. Skerbisch ´s Interesse galt der sich aus einer inneren Ordnung ergebenden dynamischen Wechselbeziehung zwischen Innen und Außen, Volumen, Hülle und Transparenz. 

Seine 1. Sphärenausstellung zeigte kunstGarten 2006.

SPHÄRE 235 (ein Fünfmillionstel des Erddurchmessers)

„Ein bisschen Staunen“

Falter 32/2008 vom 6.8.2008
Ressort Feuilleton > Kunst
Autor Thomas Wolkinger

Mit seinem „Lichtschwert“ hat Hartmut Skerbisch das Stadtbild geprägt wie kein anderer bildender Künstler. Zugleich ist keine Skulptur umfassender missverstanden worden. Ein Gespräch im Grazer kunstGarten über die Schönheit der Form, das Schäumen der Welt und die Lügen der Politik.

Den kunstGarten darf man sich als kleines Paradies vor­stellen. Auf dem schmalen Grundstück an der Grazer Peripherie wuchert im Sommer das Leben. Auf der luftigen Terrasse ste­hen gerade die südafrikanischen Blut­blumen in üppig-oranger Blüte, über dem Gartendschungel, dicht mit fran­zösischen und englischen Rosen, mit Brombeerstauden und Obstbäumen bewachsen, schweben fette, zufriedene Käfer. Eigentlich ein idealer Ort auch für die Kunst.
Hartmut Skerbisch hat die überbor­dende Natur allerdings vor ein Problem gestellt: „Eigentlich brauche ich einen möglichst undefinierten Raum, den ich durch das Einfügen eines Objekts dann spezifischer machen möchte. Und hier hat alles einen Eigencharakter!“ Daher wollte der 1945 in der Ramsau gebore­ne Künstler ursprünglich auch eigens ein neues Werk für die Ausstellung im kunstGarten anfertigen, eine vor kurzem diagnostizierte Krebserkran­kung hat ihn daran gehindert. Sker­bisch hat sich schließlich für zwei ältere Skulpturen entschieden: für eine seiner „Sphären“, die kleine Schwester einer weit mehr Raum greifenden, 2006 am Schloss Kalsdorf fertiggestellten, und für einen „Pythagoräischen Baum“, eine Vorarbeit zu seinem „3D Fraktal“ im Österreichischen Skulpturenpark. Beide sind Ergebnis seiner intensiven Beschäftigung mit der Materialität der Welt, mit fraktalen und atomaren Strukturen, mit komplexeren geomet­rischen Ordnungsmustern, mit „dich­testen Kugelpackungen“ oder „plato­nischen Körpern“.
Beide Werke sind zugänglicher als viele seiner anderen Arbeiten, dennoch lassen sie sich nicht einfach konsumie­ren. Man muss sich ihnen aus-, sich mit ihnen auseinandersetzen. Darauf kommt es dem Schöpfer des „Licht­schwerts“, das die Grazer Skyline seit mehr als 15 Jahren prägt, auch an – auf unmittelbare, elementare Raumer­fahrungen, nicht auf schnellen symbo­lischen Genuss. „Für mich“, beginnt Skerbisch das Gespräch im kunstGar­ten noch vor der ersten Frage mit einem programmatischen Satz, „für mich ist eine Skulptur nie ein sich selbst genü­gendes Objekt. Eine Skulptur soll im­mer eine Art Werkzeug sein. Das wäre das Allgemeinste, das sich dazu sagen lässt.“

Falter: Seit einiger Zeit wird Ihre Skulp­turenwelt zusehends runder. Woher kommt das?

Hartmut Skerbisch: Ich hatte eine Phase, da kam mir vor, dass viele klassische The­men im Bereich Skulptur einfach ausge­schöpft sind. Einerseits das Expressive, also die Eigenerfindung irgendeiner spannenden Form. Oder Versuche, Ma­terial pur zu zeigen. So wie Serra starke Eisenplatten in Variationen zeigt. Mich hat mehr die Frage zu interessieren be­gonnen, ob sich nicht aus dem atoma­ren Aufbau der Metalle etwas ableiten ließe. Da sind dann die ersten Sphären aufgetaucht, wie sie auch hier im Garten zu sehen sind. Ich habe einiges probiert, aber es ist zunächst ziemlich unergie­big geblieben. Ich wollte etwas zeigen, das in sich selbst eine Aussage hat. Ohne dass man viel dazu wissen muss.

Die 2006 fertiggestellte große „Sphä­re“ am Schloss Kalsdorf nimmt aber mit einem Durchmesser von 1274 Zentimetern – ein Millionstel des Erddurchmessers – an größeren Strukturen Maß.

Das Hauptinteresse kommt dennoch von der anderen Seite. Auch aus einem anderen Ansatz heraus. In den Acht­zigerjahren ist die Formensprache des Fraktalen aufgekommen, das Prin­zip der Selbstähnlichkeit. Es ist faszi­nierend, weil es effektiv in der Natur eine Rolle zu spielen scheint. Schon in sehr allgemeiner Weise, wenn etwa ein Kirschbaum als Fernform kugelig ist und die Kirsche auch ganz einfach rund. Ein Birnenbaum wird nie kuge­lig erscheinen oder eine Tanne rund. Sie erscheinen eben so wie ihre Frucht­formen. Da könnte man vermuten, dass hier von den ersten Molekülen bis zur großen Form ein formales Prinzip durchgehalten wird.

Warum haben Sie sich in Ihren Ar­beiten für die Kirsche und nicht den Tannenzapfen entschieden?

Das hat mit einem ganzen Konvolut von Ideen zu tun. Ich habe wie gesagt seit langem probiert, irgendwie an die Kugelform heranzukommen. Damit man nicht immer nur das Eckige hat. Bei Skulptur kommt man so leicht zu einem Punkt, an dem es dann heißt, das ist ja schon wieder phallisch. Auf­grund der Höhe oder eines anderen Aufmerksamkeitsfaktors. Ich hab ein­mal in der Neuen Galerie zwei große liegende, schwarze Körper ausgestellt („Mal“, 1994; Anm.). Aber das war unbefriedigend, weil die Form allzu lastend ist.

Und die Kugel vermittelt diese Last nicht?

Sie ist einfach die perfekte Form. Da kann man nichts dazu- oder wegtun. Sie ist auch am einfachsten definiert – glei­cher Abstand von einem Punkt. Und trotzdem kommt sie so in der Natur nie vor. Es gibt alle Arten von Annä­herungen. Auch die Rotationsformen, die Planeten, sind ja ganz schöne For­men, aber eben Abwandlungen.

Haben Sie sich also für die „Sphäre“ in Kalsdorf die Welt zurechtgebogen?

Das stimmt. Für diese Geschichte ist die Welt zurechtgebogen.

Auch das „Lichtschwert“, Ihre Umsetzung von Franz Kafkas in „Amerika“ beschriebenen Version der Freiheitsstatue mit einem Schwert in der rechten Hand, hält in der ande­ren eine Kugel.

Aber das hängt für mich überhaupt nicht mit dem vorher Gesagten zusammen. Es gab damals noch keinen Plan, dass ich nun über längere Zeit mit Kugeln arbeiten wollte. Und beim Lichtschwert ist die Kugel auch nicht in erster Linie die Weltkugel.
Aber sie wird sofort damit assoziiert.

Genau, aber dagegen kann man sich nicht wehren.

Das Schwert ist ja auch kein Schwert, oder?

Es könnte genauso gut ein schönes Hy­azinthblatt sein oder etwas Ähnliches. Das Schwert ist einfach eine schöne Form.

Die meisten Grazer sehen darin vermutlich keinen Versuch, die elementare Raumsprache Kafkas ins Körperliche zu übertragen, sondern vermutlich eher eine politisch ge­dachte Amerika-Kritik. Macht Sie das unglücklich?

Sagen wir, mich würde freuen, wenn man es so nehmen könnte, wie es in­tendiert war. Aber es ist klar, dass das nicht geht, weil die Wahrscheinlichkeit, dass ich etwas anderes gewollt haben könnte, allgemein so gering ist, dass ich die anderen Interpretationen gelten lassen muss. Der Architekturhistoriker Marvin Trachtenberg hat ein schönes Buch über die Freiheitsstatue veröf­fentlicht, aus dem ich im Nachhinein viel erfahren habe. Ich hatte die Statue vor dem Grazer Projekt kaum gekannt, nur einmal im Vorbeifahren gesehen. Mir hat’s keinen Eindruck gemacht – eher so ein plumpes Ding. Und da war ich glücklich, als ich gelesen habe, dass Trachtenberg die Frage aufwirft, ob nicht vielleicht doch Franz Kafka die Statue richtiger gesehen hat, weil das die politisch wahrere Form ist.

Warum ist die echte Freiheitsstatue keine gute Skulptur?

Durch das Schwert richtet sie sich ein­fach mehr auf, sie wird größer, schaut mit einer Spitze besser aus als mit dem Fake einer Flamme.

Das „Lichtschwert“ neben der Oper war damals auch, wie Sie sagen, gegen das „opernhaft Illusionäre“ gerichtet. Ist es so verwerflich, sich in den „schönen Künsten“ verlieren zu wollen?

Mich interessiert immer eine Art Grat­wanderung. Vielleicht stecke ich aber doch noch ziemlich weit drinnen in den schönen Künsten – schon allein über die Proportionen. Aber mich interessiert eher, eine Form zu verwenden, die et­was über ihre eigene Substanz aussagt.

Hat das etwas mit einem Staunen über Materialität zu tun?

Ja. Damit kann ich mich gleich identi­fizieren. Weil wir immer von Materi­al umgeben sind und das als gänzlich selbstverständlich erleben und nicht mehr bewusst. Ein bisschen Staunen über Materialität – das soll es bewirken. Andererseits besteht das ganze Leben, die Natur daraus, physisch nicht verein­nahmt zu werden. Das Lebensprinzip ist ein Rausarbeiten aus dem Materiellen. Es verwendet Material, und die erstaun­lichsten Formen kommen zustande.

Hinter Ihren Arbeiten stecken oft sehr komplexe Konzepte, auch durch Ihre häufigen Bezugnahmen auf Texte von James Joyce oder Walter Ben­jamin in Ihren Arbeiten. Man kann über Sie oft lesen: „Hartmut Sker­bisch ist ein schwieriger Künstler.“ Ist Ihnen das recht?

Ich denke mir, das muss ich auf mir sit­zen lassen. Auch wenn ich nicht ganz verstehe, warum man das von mir be­hauptet. Das hat schon so weit geführt, dass manche geglaubt haben, mit mir sei schwierig umzugehen. Und dann darauf gekommen sind, ah, der ist eh ganz nett.

Sie hätten sich’s aber auch leichter machen können. Das farbenfrohe Objekt „Balloon Flower“ von Jeff Koons etwa wurde zuletzt für 16,3 Millionen Euro versteigert. Das woll­ten Sie nie?

Nein. Ich habe auch nicht dieselbe Klar­heit wie Koons, der Sachen dazu zwingt, schreiend zu sein, überbanal und des­halb faszinierend. Da komme ich nicht hin, obwohl es vermutlich sehr viel er­leichtern würde. Aber zu den Literatur­bezügen: Damit wollte ich eigentlich nie etwas komplizierter machen. Eher wa­ren sie für mich wie ein zündender Fun­ke. Ein Satz, der sehr gut ausdrückt, was mir wichtig ist, stammt von Walter Benjamin: „Welche Wahrheit bereitet mit dem Wirklichen zu konvergieren innerlich sich vor?“ Gut, das ist auch kein leichter Satz.

Ich verstehe ihn nicht.

Aha? Er ist aber ganz einfach. Benja­min hat ihn geschrieben, als er 1927 aus Moskau zurückkam und dort gesehen hat, woran da gearbeitet wird. Er war einerseits verwirrt, zugleich begeistert und kam zum Schluss, dass er einen festen Standpunkt beziehen müsse, um wissen zu können, was da vor sich geht. In diesem Zusammenhang steht diese Frage.

Benjamin hat sich offenbar auf einen gesellschaftspolitischen Standpunkt bezogen. Das tun Sie in Ihren Arbei­ten ja nicht. Warum?
Weil es mich eher interessiert, wie Wahrnehmung funktioniert, also am Individuum zu bleiben.

Weil man über sich sprechen muss, bevor man über die Welt spricht?

Vielleicht sogar in dem Sinn, dass man eh immer über sich spricht.

Ist das eine bescheidene Haltung?

Mir kommt der Weltzustand so kompli­ziert vor, dass ich mich nicht imstande sehe, etwas darüber in meiner Arbeit direkt zu sagen. Eine Person etwa, die dauernd lügt, kann ich nicht ertragen. Aber in der Politik ist es oft gescheiter zu lügen, weil man damit zu einer präg­nanten Aussage kommt, die über eine schwierige Situation hinweghilft und etwas löst.

Haben Sie nie taktisch agiert, um am Kunstmarkt ein Stück weiterzukommen?

Nein. Alles, was mich interessiert, hat immer mit einem gewissen vitalen, mo­mentanen Eigeninteresse zu tun, dient also zumindest einer geistigen Bewälti­gung meiner Situation. Deswegen gibt es in meinen Arbeiten oft Brüche oder Sprünge. Helmut Reinisch, der Erneu­erer von Schloss Kalsdorf, in dem ich auch arbeite und lebe, sagt in anderer Eigenschaft, dass Werbung erst dann er­folgreich ist, wenn sie den Leuten schon komplett auf die Nerven geht. Wenn sie es nicht mehr ertragen. Und so vorzuge­hen – es gibt Künstler, die das tun und sich fortlaufend selbst imitieren – kann ich mir nicht vorstellen.

Sie sind ja so weit gegangen, dass Sie das „Lichtschwert“, das zuerst nicht unumstritten war, heute aber selbstverständlicher Stadtbestand­teil ist, vor einigen Jahren ändern lassen wollten. In eine „Arte“ – mit einem Stab statt einem Schwert in der Rechten. Warum wurde das nicht gemacht?

Es hat niemand wirklich gut gefun­den, der auch das entsprechende Geld dafür hätte auftreiben wollen.

Wäre Ihnen das noch wichtig?

Es ist ein wenig unwichtiger gewor­den. Mir hat einmal jemand, der Stadtführungen macht, von einer Französin erzählt, die beim Anblick der Skulptur ausgerufen hat: „Ah, Siegfried!“ Das kann man ihr nicht verübeln. Und zuletzt habe ich mit einer Krankenschwester gesprochen. „Ah, Sie haben das gemacht!“, hat sie gesagt. Auf die Art: Und jetzt lieg’ ich so armselig im Bett. Wir sind ein bisserl drauf zu reden gekommen, dass ich nicht ganz so zufrieden bin mit der Skulptur. Aber sie hat ge­sagt: „Nein, das ist ein schöner Held, der da mit dem Schwert steht. Ein schöner Held.“ In dem Sinn wird die Skulptur missverstanden. Es gab so­gar einmal einen Vorschlag von einer allzu heftigen Grün-Verfechterin, die gemeint hat, man sollte das „Licht­schwert“ überwachsen lassen. Ich habe ihr geantwortet, dass ich nicht das Thema von Philemon und Bau­cis behandeln wollte. Obwohl ich das schon verstehe – dass das ganz schön wäre, wenn eine menschliche Gestalt am Lebensende Blätter trägt, vegeta­tiv wird. Aber die Klangperformance von Michel Risse mit der Skulptur im Rahmen von La Strada im Vorjahr war ganz in meinem Sinn.

Paula Muhr KÜSSCHEN vor der Dämmerung.

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