Literatur & Film: IN MEMORIAM ALOIS ALZHEIMER

2014-06-14 // 19:00 // 20:45

Der bekannte Psychiater Emil Kraepelin (1856-1926) benannte die Alzheimer-Krankheit nach dem Namen seines früh verstorbenen Schülers Alois Alzheimer. Alois Alzheimer, Neurologe, Psychiater und Hirnpathologe, wurde am 14. Juni 1864 in Marktbreit (Unterfranken) als Sohn des Notars Eduard Alzheimer und dessen zweiter Ehefrau Barbara Theresia geboren. Nach Beendigung seiner Schulzeit in Aschaffenburg studierte er Medizin in Berlin, Tübingen und Würzburg, wo er 1887 seine Dissertation zum Thema "Über die Ohrenschmalzdrüsen" schrieb. Nach dem Staatsexamen 1888 arbeitete er als Assistenzarzt unter Emil Sioli in der "Städtischen Heilanstalt für Irre und Epileptische" in Frankfurt am Main. Dabei wurde sein Interesse für das menschliche Gehirn geweckt.

Zusammen mit seinem Kollegen Franz Nissl verbrachte Alzheimer die folgenden Jahren mit histologischen und histopathologischen Studien der Hirnrinde und veröffentlichte eine Reihe von Arbeiten. Im Jahr 1895 wurde Alzheimer in Frankfurt zum Oberarzt ernannt, 1902 ging er zu Emil Kraepelin nach Heidelberg und mit diesem dann weiter an die Psychiatrische Klinik in München, wo er das hirnanatomische Laboratorium leitete und sich 1904 habilitierte.

Seine jüdische Frau starb früh, die drei Kinder überlebten das Dritte Reich, weil sie keine so genannten Volljuden waren. Mit dem Vermögen, das seine Frau ihm hinterließ, war es Alzheimer möglich, seine tiefgreifenden Forschungen zu finanzieren, die mit der Berufung an den Lehrstuhl für Psychiatrie in Breslau honoriert wurden. Alzheimer starb mit 51 Jahren in Breslau an einer Infektion, die ein Vierteljahrhundert später mit Penicillin hätte behandelt werden können. Alzheimer behandelte in der Städtischen Irrenanstalt Frankfurt/Main eine 51-jährige Patientin namens Auguste Deter, die dort am 25. November 1901 eingeliefert wurde, und der nur wenig mehr als die Erinnerung an ihren Vornamen geblieben war. "Wie heißen Sie?", fragte er. "Auguste" kam nach längerem Zögern die Antwort. "Familienname?" "Auguste." "Wie heißt Ihr Mann?" "Ich glaube Auguste." Wort für Wort seiner verwirrten Patientin hielt Alzheimer in der folgenden mehrtägigen Befragung fest. Er prüfte die intellektuellen und sprachlichen Fähigkeiten der Kranken, ihre Reflexe, die Organfunktionen. Eine Diagnose stellte er nicht - wie seine Kollegen, die er hinzuzog, war er ratlos. Fünf Jahre später starb die Kranke, und Alzheimer notierte: "allgemein verblödet" und "völlig stumpf". Er sezierte ihr Gehirn und entdeckte einen "eigenartigen Krankheitsprozess": Beträchtliche Teile der Hirnrinde, die Gedächtnis, Orientierung und das Gefühlsleben ermöglichen, waren stark verändert. Zudem fand er Eiweißablagerungen, sogenannte  Plaques, die wie Jahrzehnte später diagnostiziert aus einem bestimmten Eiweißstoff - dem anomalen  Protein Amyloid (genauer: Beta-42-Amyloid) bestehen. Dieses Abfallprodukt entsteht bei Spaltungsvorgängen, die von bestimmten Enzymen gesteuert werden. Es schädigt die Nervenzellen. Verfilzte Faserbündel, tote Nervenzellen - nur einige Fortsätze der Nervenzellen hatten den Verfall überdauert. Mit einem neuartigen Färbemittel konnte Alzheimer erstmals auch eine Veränderung der Neurofibrillen nachweisen. Die Besonderheit aber lag darin, dass es sich um eine Demenz handelte, bei der keine Arteriosklerose im Gehirn vorlag.  1906 veröffentlichte Alzheimer seine Fallstudie "Eine eigenartige Krankheit der Hirnrinde". Sie wurde archiviert und zunächst vergessen. Noch ein dreiviertel Jahrhundert später galt die Krankheit als eine exotische, selten auftretende Altersdemenz (Altersschwachsinn), die in den Lehrbüchern mit wenigen Zeilen abgetan wurde, obschon allein in Deutschland zu dieser Zeit Hunderttausende von ihr betroffen waren. Erst durch die steigende allgemeine Lebenserwartung und eine hierdurch bedingte erhöhte Zahl an Neuerkrankungen gewinnt die Erkrankung Alzheimer nach und nach mehr Aufmerksamkeit.

 

 

 


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