CinéCLUB Privé

2012-05-04 // 20:00

Die Welt der Quay Brüder Stephen und Timothy hat die Flüchtigkeit eines Wachtraums; ihr Kino lässt sich in Worten kaum erfassen. Die Bilder der Quays befinden sich im fließenden Übergang zwischen Realität und Traum, Obsession und Wahn, irisierender Schönheit und latentem Unbehagen. Doch selten hat man sich als Kinogänger in seiner Orientierungslosigkeit besser aufgehoben gefühlt. So entrückt sind die Filme der Quay Brüder, dass man sich in ihnen vorbehaltlos verlieren kann. Dem ätherischen Gesäusel und der kunstvollen Verdrexelung der gesprochenen Worte setzen sie die ganze Stofflichkeit ihrer Miniaturwelten entgegen: die Harzigkeit des Holzes, das Klicken und Rattern der mechanischen Apparate, die liebevolle Ausarbeitung noch des kleinsten, fantastischsten Details. “The Piano Tuner of Earthquakes”, der zweite Langfilm der Quays nach ihrem unbeschreiblichen “Institute Benjamenta” (1995), ist eine Art Puppenhaus, das den Zuschauer in Bewußtseinszustände entführt, in denen sich noch die abstrusesten menschlichen Begehren auf magische Weise manifestieren.

"Ich kann mit meinen Ohren alles hören, von einem Niesen bis zur Unendlichkeit," erklärt der Klavierstimmer Filesberto bei seiner Ankunft auf der verwunschenen Insel von Dr. Emmanuel Droz (Gottfried Johns zweite Hauptrolle in einem Quays-Film). Die menschlichen Sinne spielen im "The Piano Tuner of Earthquakes" eine zentrale Rolle; auf sie muss auch der Betrachter sich einlassen, um die befremdliche Schönheit eines Quay-Films erfahren zu können. Keine äußere Handlung treibt die Geschichte voran. Das Mysterium "The Piano Tuner of Earthquakes" entfaltet sich Trance-artig als ein Geflecht aus Stimmungen, Geräuschen, Erinnerungsfragmenten und kryptischen Monologen, die von den Figuren in unwirklichen Lichtbädern aufgesagt werden. Die Worte, Bilder und Gesten verschwinden hinter einem milchigen Schleier, in dem sich die Figuren genauso zu verlieren scheinen, wie sich der Klavierstimmer schließlich in den Model-Landschaften des Dr. Droz verlieren wird.

Jede dieser Landschaften ist eine eigene kleine Welt, von den Quays in jahrelanger Handarbeit entworfen. Sie befinden sich eingeschlossen in sieben Musikautomaten, die der Doktor für sein Opus Magnum, eine Oper zu Ehren seiner Angebeteten Malvina, in Einklang bringen will. Hierfür hat er den Klavierstimmer ans Ende der Welt berufen. Aber der Mann verfällt selbst der schönen Frau, deren Arien nachts die Stille der Insel durchschneiden. Ein Geheimnis scheint Malvina, Filesberto und Droz zu verbinden, doch als der Klavierstimmer hinter das Schicksal der jungen Frau kommt, ist es bereits zu spät. Eine weitere Welt schließt sich und nimmt die Liebenden gefangen. Der siebte Musikautomat ist der Film selbst. Andreas Busche

 


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